Alkoholismus
Dr. Erich Mayer-Fally
Alkoholismus als Krankheit
Was ist Alkoholismus?
Alkoholismus bedeutet, dass ein Mensch in
Bezug auf Alkohol in eine seelische und körperliche Abhängigkeit gerät.
Dabei wird die körperliche Abhängigkeit durch physische Entzugssymptome in
Trinkpausen, die seelische Abhängigkeit durch das zwingende Verlangen nach
weiterem Alkoholkonsum charakterisiert. Der Konsum von alkoholischen
Getränken hat für die betroffene Person Vorrang gegenüber
Verhaltensweisen, die zuvor einen höheren Stellenwert besessen haben, so
dass es in weiterer Folge zu psychosozialen und körperlichen Schäden
kommt. In diesem Fall spricht man von Alkoholkrankheit.
Wann ist ein Mensch alkoholkrank?
Ein Mensch ist alkoholkrank, wenn
- er nach dem Konsum einer geringen
Alkoholmenge ein unzähmbares Verlangen nach mehr Alkohol verspürt,
- er weiter trinkt, obwohl er weiß, dass
er aufhören sollte,
- er immer mehr Alkohol braucht, um
dieselbe Wirkung zu erzielen,
- er heimlich und alleine trinkt,
- er durch seinen Alkoholkonsum einen
Organschaden in Kauf nimmt,
- er durch sein Trinkverhalten die
Beziehung zu seinen Mitmenschen stört,
- er trinkt, um Entzugssymptome zu
mildern,
- es zu einer Zentrierung des Denkens
und Strebens nach Alkohol kommt und dies zu einer fortschreitenden
Vernachlässigung des sozialen Lebens oder anderer Interessen führt.
Wann ist man gefährdet, alkoholkrank zu
werden?
Alkoholkrank wird man nicht von heute auf
morgen. Diese Krankheit entwickelt sich schleichend, und kein Konsument
alkoholischer Getränke ist davor gefeit.
Kritisch wird die Situation, wenn
- Alkohol zum Essen oder Ausgehen
einfach dazugehört und nicht mehr wegzudenken ist,
- bei psychischen oder sozialen
Belastungen getrunken wird,
- die Vorstellung, für einige Zeit
abstinent zu leben, Unbehagen bereitet,
- man sich erst nach einigen Gläsern
richtig ausgeglichen und wohl fühlt.
Treffen mehrere dieser Punkte zu, sollte
man sein Trinkverhalten grundsätzlich überdenken. Ein tägliches Quantum
bis zu 16 g reinen Alkohols bei Frauen und 24 g bei Männern (20 g
entsprechen einem halben Liter Bier oder einem Viertel Wein) gilt nach
derzeitigem Stand der Wissenschaft als unbedenklich
(Harmlosigkeitsgrenze). Überschreitet der tägliche Konsum 20-40 g bei
Frauen bzw. 60 g bei Männern spricht man von Alkoholmissbrauch, der ein
deutlich erhöhtes Risiko für Folgeschäden nach sich zieht
(Gefährdungsgrenze). Derzeit gibt es Bestrebungen der
Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Toleranzgrenze auf 7 g zu senken.
Wie viele Menschen sind in Österreich
betroffen?
Auch wenn die Problematik in der breiten
Öffentlichkeit nicht als solche wahrgenommen wird: Alkohol ist in
Österreich eindeutig die "Volksdroge Nummer 1". Nur rund ein Sechstel der
Erwachsenen ist abstinent, ein Viertel trinkt täglich und 40 % greifen
mindestens einmal in der Woche zum Glas. So gelten etwa 330.000 Menschen
als alkoholkrank und knapp 900.000 Österreicher konsumieren Alkohol in
einem gesundheitsschädlichen Ausmaß. Diese Zahlen bedeuten wiederum, dass
etwa 20% der Erwachsenen ein Alkoholproblem haben. Pro Jahr sterben in
Österreich etwa 8.000 Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums. Herr und
Frau Österreicher trinken am liebsten Bier, gefolgt von Wein.
Grundsätzlich ist die Art des Getränkes für den Alkoholismus aber nicht
maßgeblich - letztendlich kommt es nur auf die zugeführte Menge reinen
Alkohols an. Der durchschnittliche Alkoholiker ist männlich (ein Drittel
der Alkoholiker ist weiblich) und zwischen 30 und 50 Jahre alt. Die
Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit dauert im Durchschnitt 10 Jahre.
Entwicklung und
Erscheinungsformen der Alkoholkrankheit
Die Entwicklung der Alkoholkrankheit kann
in Phasen verlaufen. Nach dem gängigen Modell von Prof. E.M.Jellinek
beginnt diese Entwicklung mit der:
- Voralkoholischen Phase:
Gelegentliches bis häufiges Erleichterungstrinken wird immer mehr zum
Ersatz für andere Problemlösungsmöglichkeiten. Das Entlastungstrinken
wird allmählich zur Gewohnheit und zwangloser Alkoholkonsum geht in
Missbrauch über. Es folgt die:
- Einleitungsphase:
In dieser drehen sich die Gedanken des Betroffenen verstärkt um den
Alkohol, der immer mehr ins Zentrum des Denkens und Handelns rückt. So
kommt es in weiterer Folge zum heimlichen Trinken, es werden größere
Alkoholvorräte angelegt und gut versteckt. Ist vom Alkohol die Rede,
versuchen die Betroffenen dem Thema auszuweichen. Zudem treten aufgrund
des Trinkverhaltens vermehrt Schuldgefühle auf.
- Kritische Phase:
Zunehmend kommt es zum Kontrollverlust über das Trinken. Menschen in
dieser Situation versprechen zwar oft die Abstinenz und versuchen diese
auch einzuhalten, was ihnen auf Dauer allerdings nicht gelingt.
Deutliche Veränderungen in der Persönlichkeit führen zu häufigeren
Konflikten im privaten wie beruflichen Bereich (Wechsel des
Arbeitsplatzes). Der Alkoholiker "lebt" in dieser Phase den Selbstbetrug
und verliert dadurch den Kontakt zur Umgebung. Erste körperliche
Konsequenzen - wie Händezittern, Schweißausbrüche und sexuelle Störungen
- treten auf
- Chronische Phase:
Jede Form von Alkoholika wird getrunken, es kommt zu tagelangen
Vollräuschen und massiven Beeinträchtigungen der Wahrnehmung. Die
organischen Störungen nehmen zu, eine deutliche körperliche Abhängigkeit
und der rasche soziale Abstieg prägen diese Phase.
Welche Erscheinungsformen gibt es beim
Alkoholismus?
Die gebräuchlichste Klassifikation und
Einteilung geht ebenfalls auf Jellinek zurück. Der Pionier in der
Erforschung der Alkoholkrankheit beschreibt fünf Typen (durch griechische
Buchstaben gekennzeichnet), die sich durch Schweregrad und Art des
Alkoholkonsums voneinander unterscheiden.
- Alpha-Typ:
Dieser Typ benutzt den Alkohol, um innere Spannungen und Konflikte zu
bekämpfen. Die Trinkmenge ist abhängig von der jeweiligen
Stresssituation. Somit besteht die Gefahr einer psychischen
Abhängigkeit. Die Fähigkeit zur Abstinenz ist vorhanden, da noch keine
körperliche Abhängigkeit eingetreten ist.
- Beta-Typ:
Hier handelt es sich um so genannte Gelegenheitstrinker, Menschen also,
die bei sozialen Anlässen zwar viel trinken, dabei aber sozial und
psychisch unauffällig bleiben. Durch den häufigen Alkoholkonsum zeichnen
sich jedoch bald gesundheitliche Folgen ab.
- Gamma-Typ:
Für diesen Typ ist die Bezeichnung "Rauschtrinker" gebräuchlich, da sich
hier Phasen der starken Berauschung mit längeren abstinenten Phasen
abwechseln. Typisch für den Gamma-Alkoholiker ist, dass er - hat er
einmal zu trinken begonnen - nicht mehr aufhören kann, selbst dann, wenn
er bereits das Gefühl hat, genug zu haben. Dies wird als Kontrollverlust
bezeichnet. Das Vermögen, auch längere Abstinenzphasen einzuhalten,
wiegt die Vertreter dieses Alkoholiker-Typus in trügerischer Sicherheit
- sie sind überzeugt, nicht abhängig zu sein.
- Delta-Typ:
Damit ist der "Spiegeltrinker" gemeint. Dieser bleibt lange Zeit
sozial unauffällig, da er selten erkennbar betrunken ist. Jedoch besteht
bei ihm eine starke körperliche Abhängigkeit, so dass er ständig Alkohol
konsumieren muss, um Entzugserscheinungen zu vermeiden. Durch das
permanente Trinken entstehen zahlreiche körperliche Folgeschäden.
- Epsilon-Typ:
Die gängigere Bezeichnung für diesen Typ lautet "Quartalsäufer", da
er in unregelmäßigen Intervallen durchbruchhaft - in teilweise
tagelangen Phasen - exzessiven Alkoholkonsum erlebt. Dazwischen kann er
auch monatelang abstinent bleiben.
Welche körperlichen
Folgen kann Alkoholmissbrauch haben?
- Akute Alkohol-Intoxikation
(Rausch):
Die Verträglichkeit von Alkohol und seine Auswirkungen haben je nach
Toleranzlage ein sehr breites individuelles Spektrum. Bei einer
Blutalkohol-Konzentration von etwa 3 Promillen zeigen die meisten
Menschen das Bild einer schweren Alkoholvergiftung (nach
verhaltensdeutlichen Koordinations- und Artikulationsstörungen kommt es
zur Beeinträchtigung der Bewusstseinslage, und zwar von ausgeprägter
Schläfrigkeit bis hin zum Koma). Ab 5 Promille ist in der Regel mit
einem tödlichen Ausgang zu rechnen.
- Entzugserscheinungen treten
auf, wenn der Alkoholiker die Alkoholzufuhr unterbricht oder stark
reduziert.
Folgende
Symptome sind möglich:
- Magen-Darm-Störungen (Brechreiz,
Durchfälle etc.)
- Kreislaufstörungen (Kollapsneigung,
"Herzrasen" etc.)
- Schlafstörungen
-
Starkes Schwitzen
- Neurologische Störungen (Zittern,
Sprachstörungen, starke Nervosität oder epileptische Anfälle)
- Psychische Störungen (Unruhe,
depressive Verstimmung, Halluzinationen oder Angstzustände)
- Alkoholdelir (Delirium tremens):
Dies ist die schwerste Form des Alkoholentzug-Syndroms. Es stellt
eine lebensgefährdende Erkrankung dar (bis zu 20 % Todesfälle) und
bedarf einer sofortigen stationären Behandlung. Die Anzeichen sind
Bewusstseinsstörungen, ausgeprägte Angstzustände, starke Unruhe,
Desorientiertheit und Halluzinationen (die berühmten "weißen Mäuse").
- Persönlichkeits- und
Hirnleistungsstörungen (organisches Psychosyndrom): Durch den Abbau
von Gehirnsubstanz kommt es zu Störungen der Gedächtnisleistung, der
Feinmotorik, der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit. In
weiterer Folge können sich auch Depressionen, Phobien (Angstzustände)
und paranoide Störungen mit hoher Selbstmordgefährdung entwickeln.
- Schädigungen der Nervenbahnen
(Polyneuropathien):
Bei etwa 20 Prozent der Alkoholiker treten Taubheitsgefühle,
Empfindungen wie "Ameisenkribbeln" (Parästhesien), Muskelschwäche oder
-krämpfe und Nervenschmerzen auf. Auch der bei Alkoholikern oft zu
beobachtende tapsige, unsichere Gang ist auf die Schädigung der
Nervenbahnen zurückzuführen.
- Erkrankungen des oberen
Verdauungstraktes:
1. Gastritis
2. Entzündungen der Speiseröhre (Ösophagitis)
3. Mallory-Weiß-Syndrom (Schleimhaut-Einrisse im Übergang von der
Speiseröhre zum Magen, die durch Erbrechen entstehen können und sehr
leicht zu Blutungen führen)
4.
Speiseröhren- und Magenkrebs
- Resorptionsstörungen, die einen
Mangel an Vitaminen (v.a. Vitamin B) und anderen wichtigen Substanzen
(z. B. Folsäure) verursachen.
- Entzündungen der Bauchspeicheldrüse
(chronische und akute Pankreatitis)
- Störungen der Leber:
Toxische Alkoholgrenzen für die Leber sind individuell verschieden,
bewegen sich aber bei Männern im Bereich von etwa 60 g reinem Alkohol
(entspricht 1,5 l Bier oder 0,75 l Wein) und bei Frauen im Bereich von
ca. 40 g (1,0 l Bier oder 0,5 l Wein). Bei fortlaufendem Überschreiten
dieser Grenzwerte entwickelt sich eine Fettleber. Diese ruft zunächst
keine Beschwerden hervor, es zeichnet sich aber oft schon eine deutliche
Lebervergrößerung ab.
In weiterer Folge kann der Alkoholkonsum zur Fettleber-Hepatitis führen.
Auch diese bleibt anfangs meist symptomlos, nach einiger Zeit treten
jedoch Appetitlosigkeit, Übelkeit, Gewichtsverlust, Schmerzen im rechten
Oberbauch, erhöhte Temperatur und eine Gelbfärbung der Skleren
(Lederhaut des Auges) sowie der Haut auf.
Die Leberzirrhose wird durch den Untergang von Leberzellen und deren
Ersatz durch einfaches Gewebe charakterisiert. Anfänglich müssen auch
hier keine Symptome auftreten, in weiterer Folge zieht die Zirrhose aber
die soeben beschriebenen Beschwerden nach sich. Oftmals entwickeln sich
darüber hinaus ein Aszites (Wasseransammlung in der Bauchhöhle),
Hautveränderungen, Gynäkomastie (Brustwachstum des Mannes) und
Potenzstörungen. Die mittlere
Überlebenszeit von Patienten mit Zirrhose beträgt in etwa zwölf Jahre,
die Todesursache ist häufig Koma durch Leberversagen.
- Alkoholtoxische Kardiomyopathie:
Pathologische Vergrößerung des Herzens, die zu einer verminderten
Leistungsfähigkeit führt (Herzinsuffizienz).
- Hypoglykämie (Unterzucker)
- Alkoholtoxische Embryopathie:
Der erhöhte Alkoholkonsum in der Schwangerschaft verursacht eine
Schädigung des Embryos.
Welche
Therapiemöglichkeiten gibt es?
Die Therapie alkoholkranker
Menschen muss in jedem Fall individuell gestaltet werden. Es ist nicht
möglich, alle Betroffenen gleich zu behandeln. Die möglichst effektive
Behandlung setzt ein in viele Richtungen offenes Konzept voraus. Den
Rahmen für diese individuellen Konzepte bildet das Phasenmodell, das den
klassischen Ablauf einer Therapie beschreibt:
1. Kontakt-Phase:
Der hilfesuchende Patient wendet sich zumeist an den niedergelassenen Arzt
oder an eine Beratungsstelle. In dieser Phase muss die Situation des
Menschen, seine Einsicht und Motivation geklärt werden. Die Erhebung des
psychosozialen Hintergrundes ist für die Gestaltung des individuellen
Therapieangebotes von größter Bedeutung. Weiters muss abgewogen werden, ob
mit Entzugserscheinungen zu rechnen ist und ob die folgende Behandlung
stationär oder ambulant erfolgen soll. Eine zusätzliche Aufgabe der
Beratungsstellen besteht darin, allen direkt und indirekt betroffenen
Personen Informationen über das weitere Vorgehen zugänglich zu machen.
2. Entgiftungs-Phase:
Mit Hilfe von Medikamenten und unter ärztlicher Kontrolle (zumeist
stationär) wird beim Vorliegen einer körperlichen Abhängigkeit innerhalb
von etwa 10 Tagen eine Entgiftung durchgeführt.
3. Entwöhnungs-Phase:
Die stationäre bzw. ambulante Entwöhnung umfasst neben den
medikamentösen Maßnahmen auch eine psychotherapeutische Behandlung,
Beschäftigungstherapie und soziale Betreuung. Wichtig ist ebenso das
Miteinbeziehen der Familienangehörigen.
4. Rehabilitations-Phase:
Nach der Entwöhnungsphase, die sich über ein etwa 8-wöchiges Programm
erstreckt, wird meist eine gewisse Stabilität erreicht. Der Patient fühlt
sich wohl und ist davon überzeugt, abstinent bleiben zu können. Zurück in
der vertrauten Umgebung wird er aber oft von den bekannten psychischen,
sozialen oder familiären Problemen eingeholt. Häufig treten diese sogar
deutlicher zu Tage, da sie nach der Entwöhnung nicht mehr durch den
Alkohol "abgefedert" werden. Als Beispiel sei etwa die bei "trockenen"
Alkoholikern im Vergleich zu Trinkern deutlich höhere Scheidungsrate
erwähnt.
Daher ist es in der Rehabilitationsphase
notwendig, auf verschiedenen Ebenen Veränderungen in die Wege zu leiten.
Dies ist nun Aufgabe der Beratungsstellen, die sich mit Angeboten wie
Einzel-, Familien- oder Gruppentherapie, Begleitung, Verweisung an
Selbsthilfegruppen, psychologischer und medizinischer Beratung an die
Betroffenen wenden. Oft besteht beim Patienten und seiner Umgebung der
Glaube, dass durch die Abstinenz alle Probleme gelöst werden. Entwöhnte
müssen sich jedoch vor Augen halten, dass die Umstände, welche zum
Alkoholmissbrauch geführt haben, eines oft lebenslangen Engagements
bedürfen, um endgültig bewältigt zu werden. Eine Anlaufstelle im Fall
möglicher Krisen oder Rückfälle ist in dieser Phase eminent wichtig.
Unabdingbare Voraussetzung für eine
erfolgreiche Therapie ist der aufrichtige Wunsch, aufhören zu wollen,
sowie die Willensstärke, um diese schwierige Zeit auch durchzustehen. Nur
bei genügender Motivation und Unterstützung durch die soziale Umgebung
kann die Therapie greifen. Die Abstinenz bietet eine solide Basis für
weitere Entwicklungen. Allerdings sind Rückfälle nicht mit dem
therapeutischen Scheitern gleichzusetzen. Vielmehr muss man sich bewusst
sein, dass es sich beim Alkoholismus um eine chronische Erkrankung
handelt, die oft ein lebenslanges Bemühen erfordert. Der "trockene"
Alkoholiker muss bedenken, dass jedes neue Glas einen alt bekannten
Kreislauf hervorruft. Oft werden die Bemühungen, abstinent zu bleiben, von
Alkohol konsumierenden Mitmenschen (siehe Volksdroge Nummer 1) nicht allzu
sehr geschätzt: "Geh, sei doch kein Spaßverderber, ein Glaserl wird schon
nichts machen!" Aber auch alkoholfreies Bier (enthält geringe
Alkohol-Mengen), alkoholhältige Medikamente (die meisten "Tropfen") oder
"hochprozentige" Pralinen können einen neuerlichen Suchtdruck hervorrufen
und Verlangen nach mehr Alkohol bewirken.
Statistisch gesehen sind etwa 50 % der
Alkoholkranken eineinhalb Jahre nach erfolgreicher Entwöhnung noch immer
abstinent.
Woran erkenne ich, dass
jemand in meiner Umgebung zu viel trinkt?
Anzeichen eines Alkoholproblems ergeben
sich aus Verhaltensauffälligkeiten der betroffenen Person und durch
körperliche Merkmale.
- Körperliche Merkmale:
Neben dem offenen vermehrten Alkoholkonsum führt auch ein
geheimgehaltener Konsum (wie er häufig bei Frauen vorliegt) zu dem
bekannten Mundgeruch (Fahne). Oft wird versucht, diesen durch Kaugummi
oder ähnliche Hilfsmittel zu kaschieren. Immer deutlicher treten die
organischen Schäden zu Tage, der Alkoholiker nimmt häufig an Gewicht ab,
ist oft appetitlos, klagt über Übelkeit, schwitzt leicht und neigt zu
Hautveränderungen (z. B. Spider naevi).
- Allgemeines Verhalten:
Der alkoholkranke Mensch zieht sich immer mehr zurück, vor allem von
Abstinenten, oftmals tritt er seiner Umgebung gegenüber aggressiv auf,
ist leicht reizbar und zeigt eine reduzierte Frustrationstoleranz. Oft
tritt er eher rechthaberisch auf und prahlt mit seiner Trinkfestigkeit.
Angesprochen auf sein Problem, reagiert er häufig empfindlich und
versucht zu bagatellisieren. Der Abhängige ist bestrebt, einen ständigen
Zugang zum Alkohol zu haben, und hortet oftmals eine gewisse Menge an
Trinkvorräten. In weiterer Folge vernachlässigt er immer mehr sein
äußeres Erscheinungsbild, und selbst nach kurzen Abstinenzphasen zeigen
sich Entzugserscheinungen (Zittern und Übelkeit schon am Morgen).
Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass
die genannten Veränderungen kein Beweis für vorliegende Alkoholprobleme
sein müssen. Erst das gehäufte Auftreten dieser Anzeichen kann ein Hinweis
sein. Die Wahrnehmung ist zudem gewissen Verzerrungen unterworfen, vor
allem wenn eine gewisse emotionale Betroffenheit vorhanden ist. Die
Früherkennung dient nicht dazu, alkoholkranke Menschen "aufzudecken" oder
zu "bestrafen", sondern soll ihnen adäquate Hilfe zukommen lassen.
Was bedeutet Co-Abhängigkeit?
Angehörige von Alkoholikern befinden sich
oft in einer schwierigen Situation. Einerseits sollen sie die
Persönlichkeitsveränderungen aushalten, nach außen hin den Schein wahren,
die Kinder schützen und dem Alkoholiker gegenüber loyal und treu sein.
Anderseits wollen sie den Partner vor der Suchtgefahr schützen. Die oder
der Angehörige hat in dieser Zwickmühle an vielen Fronten zu kämpfen und
steht meist einsam da. Natürlich will man, dass der Abhängige seine Sucht
aufgibt, jedoch entsteht oft ein (unbewusstes) Verhalten, das den
Alkoholiker schützt und sein Trinken unterstützt. Ein solches Phänomen
wird dann Co-Abhängigkeit genannt. Diese Co-Abhängigkeit verläuft oft in
Phasen:
- Beschützer- und Erklärungsphase:
Sie zeichnet sich durch Nachsicht und Verständnis aus. Veränderungen
am Alkoholiker werden ignoriert und geleugnet. Man versucht, den
Betroffenen nicht zu belasten, da es ihm ohnehin nicht gut geht.
- Helferdrang- oder Kontrollphase:
Man entschuldigt und toleriert zwar noch die Alkoholprobleme,
spricht diese aber an und hat die Erwartung, dass der Betreffende in
Zukunft weniger trinken wird. In dieser Phase wird Verantwortung für den
Alkoholiker übernommen. Dieser verlangt Zuwendung und Mitleid von seiner
Umgebung, weigert sich aber, trotz vermehrter Versprechungen sein
Trinkverhalten zu ändern. Dies führt zu Frustrationen bei den
Angehörigen, die häufig mit einem vermehrten Bemühen reagieren.
- Aussonderungsphase:
Die Bemühungen in der Helferphase haben nicht den gewünschten Erfolg
gebracht, deshalb dominieren jetzt Beobachtung, Überwachung und
Aggression gegenüber dem Suchtkranken. Aus der Frustration heraus
versucht sich der Angehörige abzugrenzen, der Alkoholiker wird in seinen
Augen vom "Opfer" zum "Täter".
Den Angehörigen muss bewusst sein, dass
sie Teil der Alkoholkrankheit sind und so auch zu einem wichtigen Teil der
Therapie gehören.
Warum wird man alkoholabhängig und ist
man selber schuld?
Wie schon erwähnt, ist der Alkoholkonsum
in Österreich ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Es
gibt kaum einen Anlass, bei dem nicht zum Glas gegriffen wird, und auch
hinsichtlich der Menge gibt es kaum Einschränkungen. Noch immer wird der
Genuss von Alkoholika als männlich, "lässig" und erwachsen angesehen.
Anderseits wird der Alkoholiker aber sozial geächtet und als
willensschwache, haltlose und sprunghafte Person angesehen. Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrachtet den Alkoholismus als
Krankheit und sieht deshalb die Verhaltensweisen und Merkmale des
Alkoholikers als Ausdruck seiner Störung. Was jedoch nicht bedeutet, dass
er frei von Verantwortung für sein Tun ist.
So ist es wichtig, den Alkoholiker weder
als "Täter" - die Krankheit "Sucht" nimmt ihm den freien Willen, sich zur
Abstinenz zu entscheiden - noch als "Opfer" - es ist seine Verantwortung,
alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, um seine Störung (mit
Hilfe) zu überwinden - zu sehen. Die Gründe, warum manche Menschen
abhängig werden und andere nicht, sind noch nicht gänzlich geklärt. Klar
ist, dass neben körperlichen Voraussetzungen einerseits, Persönlichkeits-
und tiefenpsychologische Faktoren (neurotische Störungen,
Ich-Funktionsdefizite, Autoaggression) eine wichtige Rolle spielen.
Anderseits nehmen auch sozialpsychologische Umstände, wie die Verankerung
des Abhängigen in der näheren und weiteren sozialen Umgebung (Familie,
Freunde und Arbeitsplatz), und die gesellschaftliche Haltung gewissen
Rauschmitteln gegenüber eine Schlüsselrolle ein. Die Wahrscheinlichkeit
von Kindern alkoholabhängiger Elternteile, selbst eine Abhängigkeit zu
entwickeln, liegt drei Mal höher als bei Kindern nichtabhängiger Eltern.
Dies scheint auf den oben beschriebenen Faktoren zu beruhen. Eine
vermutete genetische Ursache konnte bislang nicht bewiesen werden.
Dieses viele Faktoren umfassende
Ursachenbündel macht klar, dass dem Alkoholiker eine individuelle
Betrachtung und Behandlung zukommen sollte.
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