WASHINGTON, D.C., 17. Januar 2005 Zunehmend klarer zeigen sich
die gefährlichen Nebenwirkungen von Verhütungsmittel. Doch das
hindert Regierungen und Organisationen für Familienplanung nicht
daran, unbeirrt an ihrer Werbetrommel zu rühren. Nach einem Bericht
der BBC am 16. November 2004 sprach sich in England Margaret Hodge,
Ministerin für Kinder- und Jugendfürsorge, für empfängnisverhütende
Impfungen für Schülerinnen aus.
"Wirklich interessant ist diese empfängnisverhütende Spritze", wird
die Ministerin zitiert. "Wenn Leute sexuell aktiv sind, so will man
doch nicht, dass sie in diesem Alter schon Kinder bekommen!"
Die Begeisterung für Verhütungsmittel verflüchtigt sich allerdings,
wenn man auf die Wissenschaft hört: Reuters berichtete am 23. August
des vergangenen Jahres über Untersuchungen eines Forscherteams an
der Universität von North Carolina und an der Johns Hopkins
University in Baltimore. Ihnen zufolge sei bei Frauen, die sich das
Verhütungsmittel Depo-Provera spritzen lassen, die Rate sexuell
übertragener Krankheiten überdurchschnittlich hoch.
Zur besagter Studie erklärte Karl Morrison von "Family Health
International" (FHI), dass weitere Untersuchungen zwar noch gemacht
werden müssten, dass Depo-Provera aber sehr wahrscheinlich selbst
für sexuell übertragene Krankheiten anfällig mache: "Wir haben bei
unseren Erhebungen sowohl Unterschiede bei der Verwendung von
Kondomen als auch beim Partnerwechsel und bei der Häufigkeit des
Geschlechtsverkehrs berücksichtigt", so Morrison gegenüber Reuters.
Nach einem Bericht der "Associated Press" am 17. November 2004 wird
Depo-Provera auch von der US-amerikanischen "Food and Drug
Administration" (FDA) – die US-Bundesbehörde zur Überwachung von
Nahrungs- und Arzneimittel – überprüft. Auf ihre Weisung muss das
Mittel jetzt mit der besonderen Warnung versehen sein, dass die
längere Anwendung zu einem bedenklichen Knochendichteschwund führen
könne.
Kurz nach Bekanntgabe dieses Befundes der FDA wurde laut Reuters vom
vergangenen 23. Dezember die durch Depo-Provera möglicherweise
verursachte Komplikation des Knochenschwunds von einer weiteren
Studie bestätigt: Forscher an der Universität von Iowa hatten 178
geimpfte Frauen mit 175 Frauen verglichen, die sich keiner
empfängnisverhütenden Hormonbehandlung unterzogen hatten. Das
Ergebnis: Die durchschnittliche Knochendichte an der Hüfte war ein
Jahr nach Beginn der Behandlung mit Depo-Provera um 2,8 Prozent,
nach zwei Jahren um 5,8 Prozent gesunken. Bei der Knochendichte im
Rückgrat war es ähnlich. Dem gegenüber betrug der Knochenschwund bei
der Kontrollgruppe weniger als 0,9 Prozent.
Gefährliche Nebenwirkungen
Ein anderes Verhütungsmittel mit beunruhigenden Nebenwirkungen ist
das so genannte "Pflaster" ("patch"). Im April 2004 berichtete die
"New York Post" von dem Fall der 18-jährigen Zakiya Kennedy. Sie
starb aufgrund von Blutgerinnseln, die sich als Nachwirkung auf ihr
Verhütungspflaster herangebildet hatten. Ungefähr drei Wochen vor
ihrem Tod war Frau Kennedy von der Pille auf das Pflaster
umgestiegen.
Die Zeitung ging der Sache ausführlicher auf den Grund: In einem am
19. September 2004 veröffentlichten Bericht wurde das Pflaster von
Ortho Evra, der einzigen in den Vereinigten Staaten vertriebenen
Marke, mit den Todesfällen von mindestens 17 Frauen in den
vergangenen zwei Jahren in Verbindung gebracht. Außerdem wurde dort
berichtet, dass eine große Anzahl weiterer Frauen, die das Pflaster
benützen, an Komplikationen leiden würden. In 21 Fällen handle es
sich gar um "lebensbedrohende" Thrombosen und anderen Krankheiten.
Die im Bericht genannten Zahlen seien aus Berichten der FDA
entnommen, hieß es.
Des Weiteren wurde im besagten Artikel erläutert, dass laut Angaben
des Herstellers das Pflaster seit seinem Erscheinen auf dem Markt im
Jahre 2002 von vier Millionen amerikanischen Frauen benutzt worden
sei. Ein Sprecher der Gesellschaft gab dazu die Erklärung ab, dass
sich die Krankheits- und Todesfälle "im Rahmen der
Gesundheitsrisiken" der Pille hielten – 0,3 bis 1,9 Frauen unter
100.000 Benutzerinnen im Alter von 15 bis 29 Jahren würden umkommen.
Vor etwas mehr als zwei Wochen musste die FDA-Behörde – das
berichtete Reuters am 30. Dezember 2004 –bei einem Verhütungsmittel
mit Gesundheitsrisiken der Firma Barr Pharmaceuticals aktiv werden.
Die Firma wurde verwarnt, weil sie es in einer TV-Werbung für
Antibabypillen unterlassen hatte, auf die Nebenwirkung von
häufigeren, starken Blutungen hinzuweisen.
Die FDA begründete ihre Entscheidung damit, dass die Firma bei
Unterschlagung der genannten Nebenwirkungen ihre Kundinnen
irreführe. Die Verwarnung wurde dem Pharmaunternehmen in einem am
29. Dezember veröffentlichten Schreiben mitgeteilt. Auf dem
Beipackzettel dieser Pille seien neben den Blutungskomplikationen
auch weitere mögliche Nebenwirkungen wie Thrombosen, Herzattacken
und Schlaganfälle angeführt, im Fernsehspot käme es aber laut FDA
zusammen mit anderen technischen Effekten aufgrund "suggestiver
Bilder" und "schneller Szenenwechsel" zu einer Ablenkung von den
Warnhinweisen.
Falsche Untersuchungsergebnisse
Einige Untersuchungen, die am 26. Oktober 2004 in der britischen
Zeitung "Guardian" präsentiert wurden, schienen zunächst alle
gesundheitlichen Bedenken gegen Verhütungsmittel unter den Tisch zu
kehren: Ihnen zufolge könne die Pille dazu beitragen, Frauen vor
Herzkrankheiten und Schlaganfällen zu schützen. Im Bericht wurde
auch noch eine weitere Studie über Frauen in Amerika angefügt, der
zufolge die Pille das Risiko von Brust- oder Gebärmutterkrebs nicht
erhöhe.
Diese Ergebnisse wurden auf der Konferenz der "American Society for
Reproduktive Medicine" (Amerikanische Gesellschaft für reproduktive
Medizin) in Philadelphia im vergangenen Oktober vorgestellt. Die
präsentierten Zahlen stammten aus einer noch nicht vollendeten
Untersuchung der "Women's Health Initiative" (WHI, "Initiative für
Frauengesundheit"), in der über 160.000 Frauen erfasst werden.
Der Bericht im "Guardian" stand den euphorischen
Untersuchungsergebnissen aber skeptisch gegenüber. Er wies darauf
hin, dass die WHI-Studie zunächst Daten vorgelegt hatte, die die
Substitutionstherapie (Behandlung zum Ersatz einer fehlenden oder
unzureichenden Hormonproduktion) mit einem erhöhten Risiko von
Brustkrebs, Herzkrankheit und Schlaganfällen in Verbindung gebracht
hatten. Die empfängnisverhütende Pille und die Pille zur
Substitutionstherapie sei aber praktisch dieselbe, hieß es im
Artikel.
Die Skepsis erwies sich als prophetisch: In einem am 27. November in
der Londoner "Times" erschienenen Artikel wurde erklärt, dass die
WHI ihre scheinbar voreilig gezogenen Schlüsse verworfen und die
"Times" gebeten hätte, die ursprünglich in Umlauf gesetzten Angaben
zu widerrufen.
Jacques Rossouw, stellvertretender Direktor der WHI, gab gegenüber
der "Times" zu, dass bei der Studie nicht nach wissenschaftlich
zulässigen Verfahren vorgegangen worden sei: "Die Forscher achteten
nur auf Grunddaten (base-line data), die jedoch bei weitem nicht
ausreichend sind", wird er zitiert. "Deswegen sind die
Feststellungen so bizarr. Derartige Ergebnisse sind einfach nicht
zuverlässig."
Die "Times" ließ dem Bericht am 13. Dezember einen weiteren folgen,
in dem vor höheren Schlaganfallsrisiken für Frauen, die die Pille
nehmen, gewarnt wird. Gestützt auf eine Studie, für die über 5.000
Menschen befragt wurden, ermittelten Forscher aus Kanada, den
Vereinigten Staaten und Spanien, dass bei Migränepatientinnen, die
die Pille nehmen, die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls bis zu
acht mal höher sei als bei jenen, die die Pille nicht nehmen. Laut
"Times" sind schätzungsweise sechs Millionen Menschen in
Großbritannien, davon mehr Frauen als Männer, von Migräne betroffen.
Auch die sogenannte "Pille danach" wird mit Gesundheitsproblemen in
Zusammenhang gebracht. In einem Bericht von "Medical News Today" am
30. Juli 2004 werden die Ergebnisse einer in der "Annals of
Pharmakotherapy" von Dr. Gene Rudd veröffentlichten Studie
zusammengefasst:
Am 22. Juli des vergangenen Jahres hatten Barr Laboratories bei der
FDA noch einmal die Genehmigung dafür beantragt, Plan (Wirkstoff) B
rezeptfrei abgeben zu dürfen, nachdem der ursprüngliche Antrag von
der FDA abgelehnt worden war. Aus den in Rudds Artikel angeführten
Datenmaterial geht hervor, dass eine Erleichterung des Zugangs zu
Wirkstoff B die Gesundheit vieler Frauen gefährden würde.
Dr. Rudd betont, dass ein rezeptfreier Zugang zu "Plan B" viele
Frauen vom Sprechzimmer des Arztes und damit von einer geeigneten
und umfassenden ärztlichen Betreuung fernhalten würde. Außerdem
könne "Plan B" mehr Frauen zu leichtsinnigem Verhalten, etwa
ungeschütztem Geschlechtsverkehr, verleiten, was zusätzlich zu einer
Verbreitung von Geschlechtskrankheiten führe.
Gefahren für die Gesundheit wurden aber nicht nur bei Kontrazeptiva
festgestellt, sondern auch die Abtreibungspille RU 486 steht mit
Todesfällen in Verbindung: Ein weithin bekannt gewordener Fall ist
der Tod von Holly Patterson im Jahre 2003: Die 18-jährige
Kalifornierin war, nachdem sie RU 486 eingenommen hatte, einem
septischen Schock erlegen. Wie "Associated Press" am 16. November
mitteilte, hat Hollys Vater Monty Patterson von der FDA gefordert,
die Abtreibungspille zu verbieten, nachdem nun ein dritter Todesfall
auf sie zurückgeführt werden müsse. Ebenfalls am 16. November
meldete die "New York Times" eine neue Forderung der FDA nach
eindeutigeren Warnhinweisen auf der Verpackung für RU 486.
In einer Kolumne vom 19. November in der "New York Times"
kritisierte Donna Harrison, Geburtshelferin, Gynäkologin und
Mitglied der amerikanischen Vereinigung von Pro-Life-Geburtshelfern
und -Gynäkologen, die Behörden scharf, da sie aufgrund einer
politischen Intervention der Clinton-Regierung im Jahre 2000 grünes
Licht für die Abtreibungspille gegeben hätten.
Dabei verwies die sie auf Dokumente, die vor kurzem dank des
Gesetzes zur Informationsfreiheit (Freedom of Information Act)
zugänglich geworden seien. Sie würden beweisen, dass die
Clinton-Regierung "darauf gedrängt hat, RU 486 vor der Wahl im Jahr
2000 genehmigen zu lassen, obwohl keine zuverlässigen Daten
vorhanden waren, die ihre Sicherheit beweisen konnten." Die
eindeutigeren Warnhinweise auf der Packung könnte, zumindest für
einige Frauen, die RU 486 bereits genommen haben, zu spät kommen.